Erzbistum Köln
Wuppertal, im Januar 2022
Apostolischer Administrator
Weihbischof Rolf Steinhäuser
Marzellenstraße 32
50668 Köln
Sehr geehrter Herr Weihbischof Steinhäuser,
der erste Timotheusbrief schreibt dem Bischof Untadeligkeit, Nüchternheit
und Besonnenheit ins Stammbuch und stellt fest: "Er muss aber auch bei den
Außenstehenden einen guten Ruf haben, damit er nicht in üble Nachrede
kommt und in die Falle des Teufels gerät." (1 Tim 3,7)
Das Erzbistum Köln befindet sich seit mehr als einem Jahr in einer tiefen
Krise. Als getaufte, gefirmte und ehrenamtlich in den Kirchenvorständen
und Pfarrgemeinderäten in Wuppertal engagierte Christ*innen verfolgen wir
die Situation in unserem Erzbistum, das seit Monaten nicht zur Ruhe kommt
und zugleich wie gelähmt ist, mit wachsender Sorge und Verärgerung. Im
Einzelnen sind es folgende Punkte, die uns fragen lassen, ob und wie ein
Neuanfang und letztlich ein Weg der Versöhnung und Befriedung mit der
bisherigen Bistumsleitung möglich sind.
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Die Zahl der Kirchenaustritte ist ungebrochen hoch; die jüngsten Zahlen
der Kirchenaustritte im Erzbistum Köln für das Jahr 2021 liegen bei knapp
20.000, insgesamt rechnet man mit weiteren 50.000 Katholik*innen, die der
Institution Kirche den Rücken kehren werden. Hierbei handelt es sich
zunehmend auch um engagierte Gläubige, die die Amtskirche nicht weiter mit
ihrer Kirchensteuer unterstützen wollen. Ist das egal, ein einfach
hinzunehmendes Schicksal? Und was ist davon zu halten, wenn Weihbischof
Schwaderlapp bei seiner letzten Visitation in Wuppertal im November 2019,
auf die Kirchenaustritte angesprochen, erwidert, "dann schrumpfen wir uns
halt gesund"? Dies kann doch nicht die angemessene Reaktion der
Bistumsleitung auf das Problem der Kirchenaustritte sein.
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Die Zahl der Austretenden ist verifizierbar. Weniger deutlich greifbar,
jedoch für die Zukunft der Kirche in unserem Land und unserem Bistum umso
besorgniserregender ist die Zahl derjenigen Katholik*innen, die sich
angesichts des moralischen Versagens der Bistumsleitung innerlich von der
Kirche entfernen. Die sich zwar weiterhin als Haupt- und Ehrenamtliche -
mit einem hohen Maß an Zeit, Energie und Idealismus aber auch Ernüchterung
und Verärgerung - in den Gemeinden und Verbänden vor Ort einsetzen, die
sich aber innerlich von der Leitung des Bistums distanzieren und abwenden.
Der Pastorale Zukunftsweg droht ohne das überzeugte Mittun dieser bisher
noch engagierten Menschen eine Totgeburt zu werden.
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Die Weigerung der Leitungsverantwortlichen in unserem Bistum, unabhängig
von juristischer Be- oder Entlastung durch Gutachten, glaubwürdig
moralische Verantwortung für das Ausmaß sexuellen Missbrauchs und seiner
Vertuschung zu übernehmen, diskreditiert nicht nur sie selbst, sondern
auch all jene hauptamtlichen Seelsorger*innen, die in den Gemeinden vor
Ort ihren Dienst tun und quasi in Sippenhaft genommen werden für die
Untaten der Missbrauchstäter und das Versagen der Bistumsleitung.
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Die Mitglieder des Diözesanrates und des Diözesanpastoralrates loben Ihr
Auftreten als Apostolischer Administrator als "neuen Stil", betonen dabei
Ihre Offenheit und Bereitschaft zuzuhören. Eigentlich sollte so ein Umgang
miteinander selbstverständlich sein. Was aber sagt dies über den bisher in
Köln üblichen Führungsstil aus?
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Irritierend wirkt auf uns die Diskrepanz zwischen der Aussage Weihbischof
Schwaderlapps, als "einfacher Priester" in Afrika Dienst zu tun, und den
kurze Zeit später aufgetauchten Fotos, die ihn im vollen Bischofsornat
neben dem Erzbischof von Mombasa zeigen. Solche Bilder sind im
Gesamtzusammenhang mehr als unglücklich.
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2,8 Millionen Euro hat die Bistumsleitung in kaum zwei Jahren für zwei
Gutachten, Rechts-, Krisen- und Kommunikationsberatung ausgegeben. Dem
stehen 1,5 Millionen Euro gegenüber, die in einem Zeitraum von zehn Jahren
den Opfern sexualisierter Gewalt durch Menschen der Kirche - zumeist
Männer und zumeist Priester - zugekommen sind. Diese Zahlen stehen in
keinem akzeptablen Verhältnis zueinander, stattdessen "befeuern" sie in
der Öffentlichkeit wiederum das Bild einer Kirche, der das eigene Ansehen
wichtiger ist als die Opfer sexuellen Missbrauchs.
Nun steht auch noch der Vorwurf im Raum, dass Kardinal Woelki und die
anderen Verantwortlichen die zuständigen Kontrollgremien, Domkapitel und
Vermögensverwaltungsrat, umgangen haben sollen. Weiter ist fraglich, ob
diese Summe dem eigentlich bestimmten Stiftungszweck entsprechend
verwendet wurde. Der Generalvikar ist u.a. letztverantwortlich für die
ordnungsgemäße Verwaltung des Vermögens des Erzbistums und der
Kirchengemeinden, wozu auch die Aufsicht der Kirchengemeinden gehört.
Sollte sich der Verdacht finanzieller Unregelmäßigkeiten bestätigen, hat
er dafür jegliche Glaubwürdigkeit verloren.
Umso bemerkenswerter ist, dass Generalvikar Hofmann selbst im Zusammenhang
mit den Kosten von einem "schmerzhaften und teuren Prozess" spricht.
Teuer? Eine solche Summe für eine "Kommunikation mit großen Fehlern", so
Papst Franziskus, ist eher eine Geldvernichtung. Schmerzhaft? - Was genau
schmerzt? Der Blick auf die sündigen Strukturen der Kirche - oder die Höhe
der vermeidbaren Kosten und die Beschädigung des einstmaligen Rufes als
moralische Instanz?
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Ein erheblicher Anteil der 2,8 Millionen Euro wurde u.a. ausgegeben für
ein zweites Gutachten, das rein juristisch vorgeht und nur einigen wenigen
Personalverantwortlichen Fehler im Umgang mit sexualisierter Gewalt und
den Tätern nachweist. Wo aber bleibt die Übernahme der moralischen
Verantwortung - sowohl der Personalverantwortlichen als auch derer, die
formell keine Verantwortung hatten, aber dennoch von der Existenz und den
Untaten der "Brüder im Nebel" gewusst oder doch zumindest geahnt haben?
Waschen diese Menschen ihre Hände in Unschuld wie einst Pontius Pilatus?
Der Ruf nach Übernahme moralischer Verantwortung ist so laut, dass man ihn
nicht mehr überhören kann.
Hier und jetzt vertiefen die Missbrauchsskandale und die Gutachten, die
die systemischen Ursachen und Katalysatoren von sexuellem, geistlichem,
Geld- und Machtmissbrauch in der Kirche bewusst auszuklammern versuchen,
den Riss zwischen Bistumsleitung und Gläubigen in den Ortskirchen.
Wenn zum Aschermittwoch 2022 Kardinal Woelki aus seiner Auszeit
zurückkehrt: An welchen transparenten Kriterien und konkreten Schritten
werden wir sehen können, dass er aus den schweren Fehlern im Umgang mit
Kommunikation - letztlich im Umgang mit Menschen - und mit der Leitung der
Diözese gelernt hat und in der Lage ist, es zukünftig besser zu machen?
Und was folgt, wenn sich trotz seiner Auszeit die Situation als so
"verfahren" erweist, dass es nicht gelingt, die massive Vertrauens- und
Führungskrise im Erzbistum Köln zu lösen? Wenn er in der Wahrnehmung der
Öffentlichkeit nicht Teil der Lösung, sondern Teil und Gesicht des
Problems ist? Und wieviel Zeit soll ins Land gehen, ehe hier eine konkrete
Entscheidung fallen kann? Der Kirche laufen nicht nur die Gläubigen,
sondern ihr läuft auch die Zeit davon.
Ein "Weiter so!"" kann und darf es nicht geben; es braucht einen
unbelasteten Neuanfang. Dafür halten wir es für unabdingbar, dass
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der Wille der Bistumsleitung zu einem wirklichen Neuanfang erkennbar wird,
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die Bistumsleitung gemeinsam mit den beratenden Gremien Schritte
erarbeitet, um das Bis-tum aus der Krise herauszuführen,
-
die Bistumsleitung und die beratenden Gremien in angemessenen
Zeiträumen transparent darüber Rechenschaft ablegen, wie weitreichend und
tiefgreifend der Neuanfang gediehen ist,
-
die Verantwortlichen im Erzbistum Köln anerkennen, dass die Kirche nicht
in der Lage und in der Position ist, den sexuellen Missbrauch und seine
Vertuschung in ihren Reihen umfassend aufzuklären - sie muss sich der
Aufklärung durch eine vom Bischof wirklich unabhängige Kommission stellen.
Als Vertreter*innen der nachfolgend angeführten Gremien haben wir Ihnen
als Apostolischem Administrator unsere Wahrnehmung geschildert, wie sich
die gegenwärtige Situation im Erzbistum Köln in Wuppertal niederschlägt.
Wir verbinden dies mit der hiflichen Aufforderung, unsere Eindrücke In ihr
weiteres Handeln einfließen zu lassen.
Eine Kopie dieser Stellungnahme werden wir auch an den Diözesanrat und den
Diözesanpastoralrat weiterleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Dieser
offene Brief wurde gestaltet und gezeichnet von meherern PGR-Mitgliedern
Wuppertaler Gemeinden, so auch vom Gemeinderat und Kirchenvorstand Hl.
Ewalde |