Frauen streiken für
neue Wege in der Kirche
In Münster begann der
Kirchenstreik der Frauen, der sich dann über ganz Deutschland ausbreitete:
In der Woche vom 11.05.2019 bis zum 18.05.2019 ließen katholische Frauen
überall im Land ihre Ehrenämter ruhen, betraten ihre Kirchen nicht und
feierten ihre eigenen Gottesdienste draußen auf den Kirchenplätzen. Warum
das Ganze?
Dass unsere Kirche in einer tiefen
Krise steckt, wissen wir spätestens seit den Berichten über zahlreiche
Missbrauchsfälle. Wir Frauen glauben, dass Machtstrukturen und Klerikalismus
in der katholischen Kirche ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass es
diese Häufung an Missbrauchsfällen durch Priester gibt, und auch, dass
Vertuschung so lange möglich war und für nötig gehalten wurde. Fassungslos,
enttäuscht und wütend müssen wir nun beobachten, dass zwar viel geredet und
diskutiert wird, jedoch mutige Schritte auf einem neuen Weg in die Zukunft
ausbleiben und Gespräche über Themen wie Frauenpriestertum, Sexualmoral,
Pflichtzölibat und kirchliche Hierarchien verweigert werden.
Für viele von uns ist der Punkt
gekommen, entweder zu verzweifeln, aufzugeben und möglicherweise sogar die
Kirche zu verlassen - oder uns laut und deutlich zu Wort zu melden und nicht
mehr zu schweigen, bis ehrliche, faire Gespräche möglich sind und der Wille
zu Änderungen sichtbar wird. Wir glauben: Nur dann hat die Kirche noch eine
Zukunft. Und unsere Welt braucht eine Kirche im Geist Gottes, die wirklich
an der Seite der Menschen steht, mutig und liebevoll, weit mehr als starre
Dogmen und Regeln. So entstand die Idee des Streiks.
"Maria 2.0" heißt die Aktion nicht, weil wir glauben, Maria bräuchte ein
Update. Wir sind es, die eine neue Sicht auf Maria brauchen - die mutige,
selbstbewusste Frau, die aus eigenem Entschluss Ja zu Gottes Plänen mit ihr
sagte. Wir brauchen Maria als Schwester in unserer Mitte, als Frau, als
Mutter, nicht als ewig schweigende, überirdisch erhabene Jungfrau auf einem
Sockel.
Maria 2.0
soll aber auch ein Schlagwort sein für den dringend nötigen Neubeginn in der
Kirche.
Auf den Südhöhen beteiligten sich
Frauen aus St. Hedwig und Heilige Ewalde, und auch aus Ronsdorf kam
Unterstützung. Wir gestalteten den Kirchplatz von Heilige Ewalde: Fotos von
Frauen aus den Gemeinden wurden an der Kirchenwand aufgehängt, in ihrer
Mitte ein Bild Marias. Auf allen Bildern aber waren die Münder mit Pflastern
zugeklebt: In der Kirche haben noch immer fast allein Männer das Sagen.
Die Flagge der kfd wurde gehisst,
ein weißer Pavillon aufgestellt, und gut sichtbar zur Straße hin wurde ein
Banner aufgezogen mit dem Logo der Aktion.
Das alles war so auffällig, dass
viele Menschen über den Vorplatz gingen und uns darauf ansprachen. Wir
hatten uns aber auch ein lebendiges Programm für die Woche ausgedacht - wir
wollten ja nicht einfach still für uns zu Hause streiken. Wir wollten
gesehen und gehört werden. Den Auftakt in Heilige Ewalde bildete ein
Gottesdienst vor der Kirche, der rege besucht wurde. Es wurden deutliche
Worte gesprochen davon, wie wir uns unsere Kirche wünschen - als lebendigen,
geisterfüllten Ort, in dem alle Gläubigen gleich welchen Geschlechts
gleichberechtigt zusammen leben und feiern.
In St. Hedwig war es wegen der
Tauferneuerungsfeier der Kommunionkinder nicht möglich, einen separaten
Gottesdienst draußen zu feiern. Deshalb versammelten sich dort Frauen gegen
Ende der Messe im Altarraum der Kirche und taten ihre Wünsche und
Forderungen laut kund.
Gleichzeitig fand auch in
Vohwinkel ein Freiluft-Gottesdienst statt; mit den Vohwinkler Frauen hatten
wir während der Vorbereitungen eng zusammen gearbeitet und uns gegenseitig
mit Ideen zu Gottesdiensten und Aktionen unterstützt.
In der Woche wurden außerdem in
Vohwinkel und Cronenberg Maria-Andachten gefeiert, in denen darüber
nachgedacht wurde, was Maria für uns heute bedeuten kann. Es gab ein
Kaffeekränzchen, Maibowle und viele, viele Gespräche. Ebenfalls in dieser
Woche entstand ein neues Bild für die Kirche Heilige Ewalde unter dem Motto
"Ruah - Geist Gottes weht, wo sie will". Die Unterstützung in den Gemeinden
war groß - es tat gut zu sehen, dass wir mit unseren Träumen und Forderungen
nicht allein waren.
Denn aus der Amtskirche kam leider
auch Gegenwind: Ein Highlight der besonderen Art war die Eröffnung der
Visitation des bergischen Städtedreiecks durch Weihbischof Schwaderlapp. Aus
diesem Anlass wurde am 14.05.2019 in Remscheid eine Vesper gefeiert. Frauen
aus Wuppertal und Remscheid nahmen dies zum Anlass, dort zu erscheinen - um
auch da wieder vor der Kirche zu bleiben und ein Taizégebet zu halten.
Von den Menschen, die zur Vesper
kamen - Priestern, Pastoralreferenten/-referentinnen und Ehrenamtlichen -
wurde unsere Anwesenheit ganz überwiegend positiv aufgenommen. Besonders
Pfarrer Behr freute sich sehr, dass wir da waren. Auch Pfarrvikar Kammerinke
stellte sich ausdrücklich auf unsere Seite - wenn er sich auch wenig
Hoffnungen mache, dass wir etwas ändern könnten.
Weihbischof Schwaderlapp kam erst
nach der Vesper zu uns und hörte sich, was wir zu sagen hatten, höflich an.
Leider blieb der Eindruck, dass ein wirkliches Gespräch nicht zustande kam.
Herrn Schwaderlapp war es immens wichtig - er betonte es mehrmals - dass
wir, egal, welche Ziele wir verfolgten, die Eucharistie nicht boykottieren
sollten. Er machte über Umwege deutlich, dass er unsere Ziele nicht
mittrage, ging aber auch nicht weiter darauf ein. So blieb das Gefühl, die
Begegnung sei auf verschiedenen Ebenen geblieben.
Wir wünschen uns sehr, dass, wenn
unsere Gemeinden besucht werden, nochmals ein Treffen möglich ist, bei dem
einem ehrlichen Gespräch Raum gegeben werden kann.
Den
Abschluss unserer Aktionswoche bildete wiederum ein Gottesdienst vor der
Kirche Heilige Ewalde. Diesmal waren noch mehr Menschen draußen versammelt,
und es kamen auch Besucher aus anderen Gemeinden, besonders auch eine
Delegation aus Vohwinkel und sogar Menschen, die wegen der
Missbrauchsskandale aus der Kirche ausgetreten waren. Anschließend luden wir
zu Kuchen, Herzhaftem und - wieder - Maibowle ein. Es war eine schöne Feier,
und eine wunderschöne, anstrengende, begeisternde Woche - an deren Ende wir
allerdings wieder in die Kirche einzogen.
Denn unser Ziel ist es ja nicht,
draußen zu bleiben. Unsere Gemeinde, unsere Kirche sind uns wichtig, unser
Glaube noch viel mehr. Er ist uns so wichtig, dass wir nach dieser Woche
nicht wieder schweigen wollen.
Wir werden weiter für neue Wege in der Kirche kämpfen. Es wird auch in
Zukunft Aktionen unter dem Banner Maria 2.0 geben. In der Kirche tragen wir
weiße Schals - als Zeichen des Neubeginns. Teilen Sie unsere Sorgen und
Träume, unsere Ziele, sind auch Sie eingeladen, dies mit einem weißen Schal
deutlich zu machen. Wir werden umso lauter und sichtbarer, je mehr Menschen
das Schweigen beenden.
Mechthild Boos, Monika Rigoni,
Ingrid Aretz, Beate Gassel
und Christiane Burghoff |